Celine Werner
Anouk Blomen
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BÜHNENBILDER & KOSTÜMENTWÜRFE

„Ja, ich will ihn jetzt küssen, deinen Mund, Jochanaan.“

Der Bühnenbildner Ludwig Sievert zeichnete 1926 in Frankfurt am Main mit Bleistift den Entwurf (47 x 33 cm) eines Kostüms für die Oper Salome von Richard Strauss Zu sehen ist Salome, wie sie den Kopf des Jochanaan auf einem Schild vor sich trägt. Im Gegensatz zu vielen anderen Kostümentwürfen, auf denen Salome reichen Kopfschmuck trägt, liegt hier um die Stirn ein zartes Band, an dem ein kurzer leichter Schleier befestigt ist, der nach hinten herabfällt. Ein dünnes schulterfreies Kleid, an dem dünne Bänder und Schnüre hängen, umspielt dabei leicht und luftig den schlanken Körper. Durch die schwungvoll hinterhergezogene Schleppe wirkt Salome, als wäre sie in schreitender Bewegung. Der Entwurf zeigt aber mehr als das Kostüm, er sagt gleichzeitig etwas über die Person aus. Salome wirkt grazil und erhaben, dabei schlank und androgyn, beinahe asexuell. Ihr Oberkörper ist stark nach hinten geneigt und ihr Kopf hoch erhoben. Ihre Augen sind schwungvoll gezeichnet und enden spitz an ihren Schläfen. Ihr Mund ist geöffnet. Der Blick auf den abgetrennten Kopf vor ihr und das angedeutete Lächeln ihres offenen Mundes verleihen ihr eine gewisse Überlegenheit. Dabei liegt ihr Blick versunken auf dem Kopf des Jochanaan, den sie gleich küssen wird.


„Wo ist Salome? Wo ist die Prinzessin?“

Auf der Rückseite der Zeichnung von Salome ist eine weitere Bleistiftskizze zu finden. Darauf ist die Figur des Herodes aus derselben Oper zu erkennen. Wie auf vielen Szenenfotos ist Herodes mit einem kräftigen und stattlichen Körper dargestellt. Er trägt eine Kopfbedeckung und einen Bart. Ein langes Gewand wickelt sich um seinen Körper. Herodes ist im Seitenprofil gezeichnet und wie Salome wirkt auch er dynamisch.

Die Neuinszenierung der Salome, für die Sievert seine Entwürfe anfertigte, wurde am 8. Mai 1928 im Frankfurter Opernhaus unter der musikalischen Leitung von Clemens Krauss und in der Inszenierung von Lothar Wallerstein zum ersten Mal gegeben. Insgesamt wurde diese Inszenierung bis zum Jahr 1944 in Frankfurt 75 Mal gezeigt.

Die Entwürfe stammen nicht direkt aus der Sammlung von Manskopf, sondern wurden später zur Ergänzung des Archivs der Städtischen Bühne erworben. Vermittler war dabei Albert Richard Mohr. Dieser war Ende der 1930er Jahre als Assistent der Dramaturgie an den Städtischen Bühnen tätig. Seine Sammlung wurde Ende des 20. Jahrhunderts von der Frankfurter Universitätsbibliothek übernommen.

„Die Dame gibt mit trübem Sinn Sich allzusehr der Trauer hin.“

Bühnenbildentwurf zu Richard Strauss Ariadne auf Naxos
Maße: 29 x 39,5 cm
Material: Bleistift und Aquarell auf Karton
Illustrator: Ludwig Sievert
Für den Bühnenbildentwurf zu Ariadne auf Naxos fertigte Ludwig Sievert zuerst eine Bleistiftskizze an, danach bemalte er den Karton mit Aquarellfarben. Die Neuinszenierung an der Oper Frankfurt, für die der Entwurf gedacht war, fand am 22. September 1926 statt. Der Dirigent war Clemens Krauss, der Regisseur Lothar Wallerstein. Insgesamt wurde die Oper in Sieverts Bühnenbildern bis 1944 16 Mal in Frankfurt aufgeführt.

Das Bühnenbildmodell zeigt eine Szene aus dem zweiten Teil, also der eigentlichen Oper. Ariadne steht auf einer Art Klippe, die zu einer Höhle führt. Unter der Klippe sieht man das wild tobende Meer. Sie ist ganz in Schwarz gekleidet und wirkt durch ihre nach vorn gebeugte Körperhaltung trauernd. Zerbinetta (ganz rechts) und ihre Gefährten Harlekin, Brighella, Scaramuccio und Truffaldin werden durch ihre farbigen Kostüme, die an die Commedia dell’arte erinnern, hervorgehoben. Sie versuchen, Ariadne mit Tanz und Gesang aufzuheitern. Dabei stehen zwei Figuren auf einem Balkon. Die Aufmunterung der vier Figuren misslingt jedoch, da Ariadne sie ignoriert.

Das Bühnenbild verdeutlicht die Gegensätze, die das Stück prägen: Der Opera buffa steht die Opera seria gegenüber, der Todessehnsucht die Lebensfreude, der schwarz gekleideten Ariadne stehen die fünf farbenfrohen Figuren gegenüber, der dunklen Höhle die Palmen.

Der Librettist Hofmannsthal hatte genaue Vorstellungen vom Bühnenbild: „Heroischer Meeresstrand mit einer Höhle; womöglich alte Kulissen (Bäume, Felsen) mit geraden Gassen. Das Ganze dem Poussinschen Stil angenähert. Die Höhle der Ariadne kann entweder plastisch oder flach gemalt sein; in letzterem Falle muß sie aber einen praktikablen Eingang haben. Unerläßlich ist die Andeutung, daß hier ein Spiel im Spiele, eine Bühne auf der Bühne gemeint sei. Diese kann erfolgen durch ein eingebautes Proszenium als Bühnenrahmen mit vergitterten Logen, sowie ein paar Statisten: auch drei im Stil des achtzehnten Jahrhunderts in die heroische Bühne hineinhängende Kronleuchter werden zu dieser Illusion beitragen, die jeweils von dem Regisseur auch auf anderem Wege erzielt werden kann.“

Der Entwurf entsprach diesen Vorstellungen in einigen Punkten: Zwei Figuren stehen in einer Art Loge. Das Proszenium scheint durch bräunliche Ranken eingebunden. Das gewünschte Spiel im Spiel wird durch den schlichten Bretterboden hervorgehoben. Übernommen wurden in der Inszenierung die beiden Palmen, die rechts und links auf dem Entwurf zu sehen sind, sowie die bunten Kostüme von Zerbinetta und ihren Begleitern.

Der Bühnenbildentwurf wurde der Sammlung ebenfalls später hinzugefügt.
Literatur:
Hofmannsthal, Hugo von: Angaben für die Gestaltung des Dekorativen in ‚Ariadne’ (Neue Bearbeitung). In: Ders.: Dramen V. Operndichtungen, hrsg. von Bernd Schoeller, Frankfurt am Main 1979, S. 294.

Der Bühnenbildner Ludwig Sievert

Richard Strauss, Rudolf Hartmann, Clemens Krauss, Viorica Ursuleac, Ludwig Sievert [u.a.], Gruppenbildnis, Uraufführung der Oper Friedenstag von Richard Strauss, München, 1938
Der Bühnenbildner Ludwig Sievert (ganz rechts) (1887-1966) studierte Szenenmalerei an der Kunstgewerbeschule in Aachen und war von 1919 bis 1937 sowohl am Schauspiel- als auch am Opernhaus in Frankfurt als Bühnenbildner tätig.

Der raffinierte Umgang mit Licht, Formen und Farben machten seine Bühnenbilder einzigartig. Sein handwerkliches Geschick half ihm, auch schwierige Ideen in die Tat umzusetzen und aus komplexen Bühnenbildentwürfen funktionierende und eindrucksvolle Bühnenkonstruktionen zu schaffen. Im Vordergrund stand immer das Werk selbst, welchem er eine räumliche Gestalt geben wollte. Dabei spielten Selbstzweck und persönliche Profilierung keine Rolle, denn er wollte nicht mehr als der Bühnenbildner des entsprechenden Werkes sein.

Sievert, der von 1914 bis 1919 in Mannheim arbeitete und nach seiner Frankfurter Zeit u.a. in München, folgte keinen stilistischen Vorgaben oder Moden: Er blieb offen für Veränderungen und ließ sich vor allem vom unmittelbaren Bühnenraum inspirieren. Aus diesem Grund wurde sogar die Theatertechnik, wie Scheinwerfer oder Laufbrücken, in seine Bühnenbilder eingebunden.

Literatur:
Patocka, Ralph-Günther: Sievert, Johann August Ludwig Klaus. (https://www.deutsche-biographie.de/sfz107701.html, Zugriff am: 14.09.2019).
Kersting-Meuleman, Ann: Richard Strauss und die Frankfurter Oper. In: Norbert Abels u.a.: Richard Strauss – (k)ein Heldenleben. Spuren des Komponisten in Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 2015, S. 27-34.
Mohr, Albert Richard: Das Frankfurter Opernhaus 1880-1980. Ein Beitrag zur Frankfurter Theatergeschichte. Frankfurt am Main 1980.
Stahl, Ernst Leopold: Ludwig Sievert. Lebendiges Theater. Drei Jahrzehnte deutscher Theaterkunst. München 1944.