„Als ich zuerst Hofmannsthals geniale Dichtung im „Kleinen Theater“ in Berlin mit Gertrud Eysoldt sah, erkannte ich wohl den glänzenden Operntext (der es nach meiner Umarbeitung der Orestszene tatsächlich geworden ist)“
„…ich zweifelte, ob ich ein zweites Mal die Steigerungskraft hätte, auch diesen Stoff erschöpfend darzustellen.”
Die Ähnlichkeit des psychologischen Inhalts warf zunächst Zweifel auf, jedoch gewann „der Wunsch, dieses dämonische ekstatische Griechentum des 6. Jahrhunderts Winckelmannschen Römerkopien und Goethescher Humanität entgegenzustellen”, das Übergewicht, sodass die Oper am 25. Januar 1909 in Dresden unter der Leitung von Ernst von Schuch uraufgeführt wurde.
Elektra, die Tochter des mykenischen Königs Agamemnon, verfällt nach der Ermordung ihres Vaters dem Wahnsinn. Ihre Mutter Klytämnestra hatte zusammen mit ihrem Liebhaber Aegisth den Gatten, der gerade aus dem Trojanischen Krieg heimgekehrt war, überwältigt und ihn mit einem Beil erschlagen. Anders als ihre Schwester Chrysothemis kann Elektra sich nicht mit seinem Tod abfinden und fristet außerhalb der Mauern des Palastes ein rastloses Dasein, sehnsüchtig ihren Bruder Orest erwartend, welcher heimkehren soll, um blutige Rache zu nehmen.
Die Oper beginnt mit einer kurzen Eingangsszene, in der fünf Dienerinnen (auf der Fotografie rechts) und eine Aufseherin (links) sich über die aktuellen Geschehnisse am Hof unterhalten. Elektra, hier noch nicht anwesend, wird von ihnen als „Dämon” beschrieben, der „giftig wie eine Katze” sein Unwesen am Palast treibt und über den Tod ihres Vaters klagt.
Der gesamte Schauplatz für die einaktige Oper ist der innere Hof des königlichen Palastes, links das große Eingangstor, rechts ein Brunnen unter einem Feigenbaum.
In der Uraufführung sangen Riza Eibenschütz die Aufseherin sowie Franziska Bender-Schäfer, Magdalene Seeber, Irma Tervani, Anna Zoder und Minnie Nast die fünf Mägde.

Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909
„Nein, ich halte dich! Mit meinen traurigen, verdorrten Armen umschling' ich deinen Leib.“

Margarethe Siems als Chrysothemis
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909
Jeder Charakter erhält seinen ganz eigenen, unverkennbar individuellen Klang. So entspricht etwa der prägnante Elektra-Akkord dem wilden und ständig unter Spannung stehenden Gemüt der Elektra. Der für seine Namensträgerin charakteristische Akkord setzt sich aus der dissonanten Überlagerung der zwei Dreiklänge Des-Dur und E-Dur zusammen. Ganz anders wird die harmonisch wirkende Welt ihrer Schwester Chrysothemis (dargestellt von Margarethe Siems) musikalisch charakterisiert: Weiche, schwelgerische Dur-Töne untermalen ihre träumerische Vorstellung des Kinderwunsches.
„Ich will hinunter. Laßt, laßt, ich will mit ihr reden.”

Ernestine Schumann-Heink als Klytämnestra
Franziska Bender-Schäfer, N.N.
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909
Musikalisch spitzt sich die Szene durch die düstere, zerstörerisch-ekstatisch geprägte Atmosphäre zu. Ebenso wie in Salome nimmt die musikalische Wirkmacht gegen Ende der Oper beständig zu und gipfelt in einer Klimax, die nicht nur der Protagonistin, sondern auch dem Zuschauer einiges abverlangt.
Mit der Traumerzählung der Klytämnestra (in der Partitur ab Ziffer 186) sprengte Strauss den Rahmen jeglicher vertrauter Kompositionspraxis.
Kurz vor Ende der Oper treffen im Hof zwei Boten ein, die den Tod von Elektras Bruder Orest verkünden. Es stellt sich heraus, dass einer dieser Boten Orest selbst ist (hier dargestellt von Carl Perron), der die Absicht hat, Klytämnestra und Aegisth zu töten.
Orest betritt durch den Eingang den Palast, Elektra schließt hinter ihm die Pforten. Von innen ertönt der Todesschrei der Klytämnestra. Kurz darauf betritt Aegisth den Hof. Elektra leuchtet ihm scheinbar unterwürfig den Weg zum Eingang, den sie hinter ihm verschließt. Aegisth erkennt den Hinterhalt, doch ist es zu spät: Auch er wird von Orest ermordet.
Die berühmte Schlussszene, in der Elektra in ihrem ekstatischen Siegestanz auf dem Höhepunkt tot zusammenbricht, taucht in der antiken Version des Mythos nicht auf, sondern ist Teil der neugefassten Dichtung Hugo von Hofmannsthals.

Ernestine Schumann-Heink als Klytämnestra
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909