Jasmin Klinger
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ELEKTRA

„Als ich zuerst Hofmannsthals geniale Dichtung im „Kleinen Theater“ in Berlin mit Gertrud Eysoldt sah, erkannte ich wohl den glänzenden Operntext (der es nach meiner Umarbeitung der Orestszene tatsächlich geworden ist)“

(Richard Strauss, 1905)
Als Richard Strauss im Jahr 1905 einer Theateraufführung der Tragödie Elektra von Hugo von Hofmannsthal beiwohnte, entfachte diese in ihm auf der Stelle die Begeisterung für den neu wiederbelebten mythologischen Stoff, auf welchem Hofmansthals Dichtung beruht. Die Ähnlichkeit zu seiner vorangegangen Oper Salome bereitete Strauss zwar einige Bedenken, doch schien ihm das musikdramatische Potential so groß, dass er sich des Projekts annahm. Schnell fanden sich Strauss und Hofmannsthal in einer Zusammenarbeit, die eine Ära der Operngeschichte einläuten sollte. Die schöpferische Kraft der beiden schlug sich in insgesamt sieben Opern nieder, von denen vier im Königlichen Opernhaus Dresden uraufgeführt wurden. Elektra war eine der erfolgreichsten Opern, die aus dieser Verbindung hervorging.

„…ich zweifelte, ob ich ein zweites Mal die Steigerungskraft hätte, auch diesen Stoff erschöpfend darzustellen.”

(Richard Strauss, 1906)
Annie Krull als Elektra
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909
Als „dämonische Rachegöttin gegen die Lichtgestalt ihrer Schwester” erscheint Elektra (in Dresden dargestellt von Annie Krull) in der Vorstellung Richard Strauss’ und ähnelt dabei der Titelheldin der 1905 uraufgeführten Oper Salome.

Die Ähnlichkeit des psychologischen Inhalts warf zunächst Zweifel auf, jedoch gewann „der Wunsch, dieses dämonische ekstatische Griechentum des 6. Jahrhunderts Winckelmannschen Römerkopien und Goethescher Humanität entgegenzustellen”, das Übergewicht, sodass die Oper am 25. Januar 1909 in Dresden unter der Leitung von Ernst von Schuch uraufgeführt wurde.

Elektra, die Tochter des mykenischen Königs Agamemnon, verfällt nach der Ermordung ihres Vaters dem Wahnsinn. Ihre Mutter Klytämnestra hatte zusammen mit ihrem Liebhaber Aegisth den Gatten, der gerade aus dem Trojanischen Krieg heimgekehrt war, überwältigt und ihn mit einem Beil erschlagen. Anders als ihre Schwester Chrysothemis kann Elektra sich nicht mit seinem Tod abfinden und fristet außerhalb der Mauern des Palastes ein rastloses Dasein, sehnsüchtig ihren Bruder Orest erwartend, welcher heimkehren soll, um blutige Rache zu nehmen.

Die Oper beginnt mit einer kurzen Eingangsszene, in der fünf Dienerinnen (auf der Fotografie rechts) und eine Aufseherin (links) sich über die aktuellen Geschehnisse am Hof unterhalten. Elektra, hier noch nicht anwesend, wird von ihnen als „Dämon” beschrieben, der „giftig wie eine Katze” sein Unwesen am Palast treibt und über den Tod ihres Vaters klagt.

Der gesamte Schauplatz für die einaktige Oper ist der innere Hof des königlichen Palastes, links das große Eingangstor, rechts ein Brunnen unter einem Feigenbaum.

In der Uraufführung sangen Riza Eibenschütz die Aufseherin sowie Franziska Bender-Schäfer, Magdalene Seeber, Irma Tervani, Anna Zoder und Minnie Nast die fünf Mägde.

Die Aufseherin und die fünf Mägde
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909

„Nein, ich halte dich! Mit meinen traurigen, verdorrten Armen umschling' ich deinen Leib.“

Annie Krull als Elektra
Margarethe Siems als Chrysothemis
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909
Um dem mythologischen Stoff der Elektra die entsprechende Plastizität zu verleihen, werden Musik und Gestus in dieser ungemein dichten Partitur so eng miteinander verflochten, dass die Musik sich nonverbal mit der Handlung verwebt und eigenständig erzählend gleichsam zwischen den Zeilen steht.

Jeder Charakter erhält seinen ganz eigenen, unverkennbar individuellen Klang. So entspricht etwa der prägnante Elektra-Akkord dem wilden und ständig unter Spannung stehenden Gemüt der Elektra. Der für seine Namensträgerin charakteristische Akkord setzt sich aus der dissonanten Überlagerung der zwei Dreiklänge Des-Dur und E-Dur zusammen. Ganz anders wird die harmonisch wirkende Welt ihrer Schwester Chrysothemis (dargestellt von Margarethe Siems) musikalisch charakterisiert: Weiche, schwelgerische Dur-Töne untermalen ihre träumerische Vorstellung des Kinderwunsches.

„Ich will hinunter. Laßt, laßt, ich will mit ihr reden.”

Annie Krull als Elektra
Ernestine Schumann-Heink als Klytämnestra
Franziska Bender-Schäfer, N.N.
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909
Elektras Mutter, Klytämnestra (hier Ernestine Schumann-Heink) steht an der Schwelle des Palastes, prunkvoll geschmückt mit Juwelen, Ketten und Talismanen; links ihre Schleppträgerin, rechts ihre Vertraute, die der im Hof stehenden Elektra Misstrauen entgegenbringt. Es kommt zu einem Gespräch zwischen Mutter und Tochter, in dem Klytämnestra von ihren Alpträumen berichtet. Als sie Elektra um Rat bittet und fragt, welches Opfer nötig sei, um Ruhe zu finden, erwidert diese, dass nur ihr eigener Tod die qualvollen Nächte beenden könne.

Musikalisch spitzt sich die Szene durch die düstere, zerstörerisch-ekstatisch geprägte Atmosphäre zu. Ebenso wie in Salome nimmt die musikalische Wirkmacht gegen Ende der Oper beständig zu und gipfelt in einer Klimax, die nicht nur der Protagonistin, sondern auch dem Zuschauer einiges abverlangt.

Mit der Traumerzählung der Klytämnestra (in der Partitur ab Ziffer 186) sprengte Strauss den Rahmen jeglicher vertrauter Kompositionspraxis.

Kurz vor Ende der Oper treffen im Hof zwei Boten ein, die den Tod von Elektras Bruder Orest verkünden. Es stellt sich heraus, dass einer dieser Boten Orest selbst ist (hier dargestellt von Carl Perron), der die Absicht hat, Klytämnestra und Aegisth zu töten.

Orest betritt durch den Eingang den Palast, Elektra schließt hinter ihm die Pforten. Von innen ertönt der Todesschrei der Klytämnestra. Kurz darauf betritt Aegisth den Hof. Elektra leuchtet ihm scheinbar unterwürfig den Weg zum Eingang, den sie hinter ihm verschließt. Aegisth erkennt den Hinterhalt, doch ist es zu spät: Auch er wird von Orest ermordet.

Die berühmte Schlussszene, in der Elektra in ihrem ekstatischen Siegestanz auf dem Höhepunkt tot zusammenbricht, taucht in der antiken Version des Mythos nicht auf, sondern ist Teil der neugefassten Dichtung Hugo von Hofmannsthals.

Annie Krull als Elektra
Ernestine Schumann-Heink als Klytämnestra
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909
Annie Krull als Elektra
Carl Perron als Orest
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909
Annie Krull als Elektra
Johannes Sembach als Aegisth
Fotografie, s/w, Postkatenformat
Dresden 1909