„Das nächste Mal schreibe ich eine Mozart Oper“
„Ich habe mir in drei ruhigen Nachmittagen ein komplettes, ganz frisches Szenar einer Spieloper gemacht, mit drastischer Komik in den Gestalten und Situationen.[…] Zeit: Wien unter Maria Theresia.“
Am 26. September 1910 vollendet Richard Strauss die Partitur, für die er sich – nach einigem Ringen mit Hofmannsthal – auch auf einen Titel verständigen kann: Der Rosenkavalier, Untertitel: „Komödie für Musik“.
„Mir gefällt der Rosenkavalier gar nicht, mir gefällt der Ochs! Aber was will man machen. Hofmannsthal liebt das Zarte, ätherische, meine Frau befiehlt: Rosenkavalier.“
(Richard Strauss an Alfred Roller über die Frage des Titels, 6. Mai 1910)
Obwohl die Handlung in Wien spielt, fällt die Wahl für die Uraufführung erneut auf das Opernhaus in Dresden, mutmaßlich wegen einer Aversion Hofmannsthals gegen die als konservativ geltende Theaterleitung in Wien. Auf dem vorliegenden Foto von 1911 aus der Manskopfschen Sammlung sind neben dem Komponisten und dem Textdichter die zentralen Personen der Dresdner Uraufführung abgebildet.
Die Harmonie ist nur eine scheinbare. Bereits nach den ersten Proben schreibt Richard Strauss 1910 über den Oberregisseur Georg Toller:
„Als ich in Dresden die ersten Bühnenproben mit Orchester hörte, war mir schon im zweiten Akt klar, dass der dortige Regisseur alten Schlags vollkommen unfähig sei, das Stück zu inszenieren."
Strauss und Hofmannsthal entscheiden sich, den jungen Berliner Regisseur Max Reinhardt zu verpflichten – ganz zum Ärger des Intendanten Graf von Seebach. Dieser verbietet Reinhardt kurzerhand, die Bühne zu betreten. Auf Missfallen stößt auch die Verpflichtung des Wiener Bühnen- und Kostümbildners Alfred Roller durch Strauss und Hofmannsthal, aber die Zusammenarbeit ist fruchtbar – Rollers Entwürfe beherrschen Jahrzehnte lang die Bühnen der Rosenkavalier-Aufführungen. Einzig die Freundschaft zwischen Strauss und dem Generalmusikdirektor Erich von Schuch scheint die Wogen zu glätten:
„Lieber Freund! Dass diese Spottgeburt aus Dreck und Feuer (nämlich der Dresdner Vertrag) noch das Licht der Welt erblickt, dafür kann sich der Graf Seebach ausschließlich bei Ihnen bedanken.“
(Richard Strauss an Ernst von Schuch, 22. September 1910)

Eva von der Osten als Octavian
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Atelier Walter Hahn
Rosenkavalier Dresden

Carl Perron – Brustbild mit Signatur und
Notenausschnitt aus Eugen Onegin
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Fotograf Hugo Erfurth
Dresden 1913

Ludwig Ermold als Baron Ochs auf Lerchenau
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Fotograf Hugo Erfurth
Dresden 1913
Uraufführung des Rosenkavaliers – die Disposition
Neben seiner Tätigkeit als Komponist ist Strauss ein regelmäßiger Opern- und Konzertdirigent. Er schlägt als routinierter Theaterpraktiker in seinem Brief vom 22. September 1910 Ernst von Schuch folgende Besetzung der Hauptrollen mit Sängerinnen und Sängern des Dresdner Ensembles vor:
„Marschallin - [Margarethe] Siems
Octavian – [Eva von der] Osten
Sophie – [Minnie] Nast
Faninal – [Gustav] Scheidemantel
Ochs - ????“
(Hugo von Hofmannsthal zur Besetzung des Rosenkavaliers)
Die Besetzung der Rolle mit Carl Perron erweist sich als nicht ideal: Weder entspricht er als Bariton dem von Strauss vorgesehenen Stimmfach des Bassbuffo aufgrund der fehlenden Tiefe der Stimme noch entspricht er mit seiner großen schlanken Gestalt der Figur des Ochs, wie sie sich Hofmannsthal wünscht: klein und dick. In einem Brief vom 5. Oktober 1910 tauschen sich Strauss und von Schuch deshalb bereits über eine mögliche alternative Besetzung aus: den Dresdner Sänger Ludwig Ermold, der die Rolle zu einem späteren Zeitpunkt auch übernimmt.
Die Woche vom 23. bis 28. Januar 1919
- Uraufführung des Rosenkavaliers
Montag 23.:
III. Akt – 10 Uhr Orchester, 11.30 Uhr alles, 6 Uhr HauptprobeDienstag 24.:
6 Uhr GeneralprobeMittwoch 25.:
5 Uhr Ankunft PaulinensDonnerstag 26.:
Uraufführung RosenkavalierFreitag 27.:
Premiere in Nürnberg abends, 7 Uhr über Halle nach MünchenSamstag 28.
10 Uhr Hauptprobe Rosenkavalier [in München]
Schon die Generalprobe am 24. wird zum Ereignis, inklusive Dankesrede des Komponisten, protokollarischer Aufzählung der anwesenden Prominenz und ausgiebiger Nachfeier im Hotel „Europäischer Hof“. Es kündigt sich ein Erfolg an – so hat das Stück bereits am Tag nach der Uraufführung Premiere in Nürnberg und wenig später in München. Ein Referent schreibt enthusiastisch über den Beginn des Stücks:
„Aus dem Orchester springt in den Hörnern kühn und stürmisch das Motiv des Rosenkavaliers. […] Ein stürmisches Fordern. Ein glückseliges Gewähren. So liebt der Rosenkavalier!“
Erster Akt

Margarethe Siems als Marschallin
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Fotograf Hugo Erfurth
Rosenkavalier Dresden 1911

Eva von der Osten als Octavian
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Atelier Walter Hahn
Rosenkavalier Dresden

Margarethe Siems als Marschallin
Eva von der Osten als Octavian
Fotografie, s/w
Fotograf Martin Herzfeld
Rosenkavalier Dresden 1911

Ludwig Ermold als Baron Ochs auf Lerchenau
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Atelier Walter Hahn
Rosenkavalier Dresden

Margarethe Siems als Marschallin
Eva von der Osten als Octavian
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Fotograf Martin Herzfeld
Rosenkavalier Dresden 1911
Kurz bevor beide mit dem Frühstück beginnen können, kündigt sich durch Lärm im Vorzimmer ein Besuch an. Octavian muss sich schnell als Kammermädchen verkleiden. Die Befürchtung, bei dem Besuch könne es sich womöglich um den Gatten der Marschallin handeln, bewahrheitet sich zum Glück nicht – es ist der Vetter, der Baron „Ochs“.
Die Marschallin schlägt ihm scherzhaft den als Mariandl verkleideten anwesenden Octavian als Überbringer der Rose vor. Die drei werden unterbrochen durch eine Vielzahl komischer Personen, die sich zu einem Lever im Schlafzimmer der Marschallin versammeln.
In einer großen Ensemble-Szene werden allerhand Forderungen gestellt und nach und nach verlassen die Beteiligten die Szene, bis schließlich die Marschallin allein zurückbleibt. In einem großen abschließenden Monolog philosophiert sie über das Altern und das Wesen der Zeit. Schließlich tritt Octavian hinzu, doch das intime Verhältnis zwischen beiden hat sich verändert.
Zweiter Akt

Karl Scheidemantel als Herr von Faninal
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Fotograf Hugo Erfurth
Rosenkavalier Dresden 1911

Minnie Nast als Sophie
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Fotograf Hugo Erfurth
Rosenkavalier Dresden 1911

Eva von der Osten als Octavian überreicht
Minnie Nast als Sophie die silberne Rose
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Rosenkavalier Dresden 1911

Eva von der Osten als Octavian
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Atelier Walter Hahn
Rosenkavalier Dresden
Das Haus gehört dem erst kürzlich geadelten Herrn von Faninal, gesungen von Karl Scheidemantel. Sein prächtiges Gewand, vom Kostümbildner Alfred Roller als „protzig reicher Galaanzug. Rock und Hose in türkisblauem Samt, Weste von ebensolcher Seide. Rock und Weste mit schwerer plastischer Goldstickerei.“ beschrieben, zeugt von enormem Wohlstand der Familie. Faninal ist überaus angetan von der Idee, dass seine Tochter Sophie in eine adelige Familie einheiratet. Unter Betonung der Wichtigkeit der Sache verlässt er das Haus, da die Ankunft des Rosenkavaliers unmittelbar bevorsteht.
Seine Tochter Sophie, verkörpert durch Minnie Nast, ist die Leidtragende dieser arrangierten Ehe. Sie erwartet, zusammen mit ihrer Kammerzofe, der Jungfer Marianne Leitmetzerin, die Ankunft des Rosenkavaliers. Als Octavian schließlich erscheint, ist offenkundig, dass eine gewisse Zuneigung zwischen ihm und Sophie entsteht.
Der Baron Ochs und der Herr von Faninal erscheinen. Mit seinem wüsten Verhalten stößt der Baron nicht nur Sophie, sondern auch Octavian vor den Kopf. Als der Baron und Herr von Faninal den Raum wieder verlassen, um den Ehevertrag zu besprechen, bietet Octavian Sophie seine Hilfe an. Entschlossen akzeptiert sie, den Grafen abzuweisen, und beide gestehen sich ihre Zuneigung: Es kommt zu einem Kuss.
Doch das Gespräch ist belauscht worden: Zwei Intriganten, der Italiener Valzacchi und seine Begleiterin Annina, hatten sich im Hintergrund versteckt und der Herr Baron wird herbeigerufen. Dieser nimmt die Szene gefasst und straft Octavian mit Missachtung. Die Szene eskaliert, Octavian zieht schließlich seinen Degen und verletzt den Baron am Arm. Der Hausherr und zukünftige Schwiegervater von Faninal ist tief betroffen. Großer Aufruhr: Octavian muss das Haus unverzüglich verlassen, Sophie wird auf ihr Zimmer geschickt und der Baron bleibt sich selbst bemitleidend zurück. Nachdem alle Personen bis auf den Ochs nach und nach die Szene verlassen haben, erscheint noch einmal Annina und überreicht ihm einen Brief – das Kammermädchen Mariandl lädt den Baron zum Stelldichein.
Dritter Akt

Hanns Lange als Valzacchi
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Fotograf Hugo Erfurth
Rosenkavalier Dresden 1911

Minnie Nast, Eva von der Osten und Margarethe Siems
singen das finale Terzett des Rosenkavaliers
Fotografie, s/w, Postkartenformat
Fotograf Martins Herzfeld
Rosenkavalier Dresden 1911
(Hugo von Hofmannsthal an Richard Strauss)
Nach furiosem Vorspiel hebt sich der Vorhang: das Innere eines Wiener Vorstadtgasthauses. Cremefarbene Wände, rechts ein für zwei Personen gedeckter Tisch mit weißem Tischtuch, in der Mitte eine Kredenz, rechts ein Bett in einer Nische, das mit einem Vorhang verborgen werden kann. Die Intriganten Valzacchi und Annina sind auf der Szene.
Valzacchis Rock mit seinen Eisenknöpfen und dem rauen Stoff versucht mühsam, seine Schäbigkeit zu überdecken. Octavian erscheint als Mariandl verkleidet und bezahlt die Intriganten. Als er die Szene wieder verlassen hat, betreten fünf Personen mit Masken die Bühne. Diese verstecken sich in der Szene – man erwartet die Ankunft des Ochs.
Ochs und der als Mariandl verkleidete Octavian erscheinen. Der Baron versucht, sich dem Kammermädchen zu nähern, aber seine Bemühungen bleiben erfolglos. Nach dem Genuss von reichlich Wein wird er immer wieder von den maskierten Personen in der Szene von seinem Vorhaben abgelenkt. Außerdem sieht Mariandl dem Grafen Octavian doch allzu ähnlich.
Auf dem Höhepunkt erscheint Annina mit vier schreienden Kindern und bezeichnet den Ochs als ihren Gatten und den Vater der Kinder. Verärgert lässt der Baron nach der Polizei rufen – ein Polizeiinspektor erscheint postwendend. Der alte Baron und das junge Kammermädchen sowie das verborgene Bett machen diesen als Beauftragten der Sittenpolizei allerdings misstrauisch. Der Ochs erkennt seine missliche Lage und versucht sich herauszureden: Das „Madl“ sei seine Braut Sophie. Der von Valzacchi hinzugerufene Herr von Faninal verliert die Fassung darüber, dass Mariandl seine Tochter sein soll.
Man lässt die echte Sophie herbeirufen. Ochs versucht zu retten, was noch zu retten ist, und schlägt Mariandl sogar eine Heirat vor, doch die gibt sich als Octavian zu erkennen. Als zentrale adelige Figur betritt die Marschallin die Bühne. Zwar bemerkt der Ochs noch das Verhältnis der Marschallin zum Grafen Octavian, er muss sich aber trotzdem geschlagen geben. Nach und nach verlassen alle Beteiligten die Szene, nur Octavian, Sophie und die Marschallin bleiben zurück.
„Da steht der Bub und da steh' ich und mit dem fremden Mädel dort wird er so glücklich sein, als wie halt Männer das Glücklichsein versteh'n. In Gottes Namen.“
(Die Marschallin – Der Rosenkavalier Akt III, Terzett)
Das folgende Terzett „Hab‘ mirs gelobt“ zählt sicherlich zu den bekanntesten musikalischen Abschnitten des Rosenkavaliers. Strauss schreibt selbst zum Finale des III. Akts:
„Der Dichter mit dem dramatischen Gefühl will hauptsächlich die Handlung weitertreiben und hat das richtige Gefühl, dass der III. Akt möglichst knapp [die] Lösung des Knotens bringen soll. Doch hier ist der Punkt, wo die Lyrik mithilfe der Musik […] die Macht hat, dem zum Ende drängenden Dichter und Dramatiker entgegenzutreten [...].“
Die Marschallin ist doch selbst eine wesentlich ältere verheiratete Frau und beschließt, den jungen Octavian für Sophie frei zu geben. Die Oper endet mit einem Liebesduett der beiden: „Ist ein Traum...“
Erfolg
Noch im gleichen Jahr hat das Stück in Basel, Hamburg, Bremen, Frankfurt, Mailand, Zürich, Prag, Leipzig, Wien, Budapest, Berlin, Rom u.a. Premiere. Auch in der Sammlung Manskopf nimmt die Oper einen großen Teil des Bestands ein, davon zeugen allein 182 Szenen- und Rollenbilder aus unterschiedlichsten Inszenierungen. Einen kleinen Einblick gibt die nebenstehende Collage von 16 Rollenbildern des Octavian. Aufgrund des hohen Bekanntheitsgrads der Oper war es Manskopf möglich, eine Vielzahl von Objekten zu sammeln. Darüber hinaus zeugt die Fülle an Objekten aber auch davon, dass er den Rosenkavalier besonders schätzte.